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Albrecht Dürer

Albrecht-Dürer-Berufskolleg – wir tragen einen großen Namen

Am 17. Dezember 1970 entspricht der Rat der Stadt Düsseldorf dem Wunsch des Lehrerkollegiums und der damaligen Schulleitung und verleiht unserer Schule den Namen „Albrecht-Dürer-Schule“.
Warum gerade Albrecht Dürer? Welche Bedeutung kann eine Künstlerpersönlichkeit der Renaissance für unsere Kolleginnen und Kollegen, für unsere Schülerinnen und Schüler, für ein modernes, gewerblich-technisches Berufskolleg im Rheinland haben? Antworten auf diese Fragen finden wir in der Betrachtung der Lebensumstände und Wesenszüge des Künstlers.

1484 zeichnet sich der dreizehnjährige Dürer im Halbprofil, das Gesicht wirkt noch kindlich, aber schon unverkennbar und detailgetreu, die Darstellung lässt offensichtlich einen Hang zur Perfektion erkennen.
Dürer, der Goldschmied werden soll wie sein Vater, aber eine Neigung zur Malerei verspürt, fügt seiner Ausbildung in der väterlichen Werkstatt seit 1486 eine Lehre bei Michael Wohlgemut hinzu. Wohlgemut ist Maler und Meister des Holzschnitts und gilt als wichtigster Vertreter der älteren fränkischen Schule. Dürer trifft in seiner Heimatstadt Nürnberg auf einen geistigen Raum, in dem Bildung ein Statussymbol ist. Studierzimmer, Tagenbücher, Ahnentafeln, Portraitbilder, Briefwechsel sind im Nürnberger Patriziat in Mode. Die Stadt ist das Zentrum des europäischen Handels. Sie verfüg über das Privileg, mit 70 weiteren Städten zollfreien Warenaustausch führen zu dürfen. Ein stetiger Strom venezianischer Luxusartikel fließt in die Läden, auch Kunstwerke der italienischen Renaissance, die der wissensdurstige junge Dürer begeistert aufnimmt.

Schon vor der späteren Begegnung mit italienischen Renaissancegrößen wie Bellini und Giorgione hat Dürer den Ehrgeiz, die deutsche gotische Malerei zu überwinden. Auf seinem Weg dorthin wird er ein moderner, trickreicher Kunstunternehmer. Während seiner Gesellen- und Wanderjahre lernt er die kommerziellen und künstlerischen Möglichkeiten der neuen Medien seiner Zeit kennen: Holzschnitt und Kupferstich. Er macht sie zur Grundlage seines geschäftlichen Erfolgs. Um seine in Serie hergestellten Kunstblätter in großem Stil auf den Markt zu bringen, feschäftigt er Kolporteure und „Fürlegerinnen“, die seine Drucke in den deutschen Metropolen anbieten. Seine „Apocalipsi com figuris“, eine illustrierte Johannes-Apokalypse von 1494, ist der erste Kunstbestseller der Neuzeit.
Dazu passt, dass der clevere Unternehmer Dürer die Notwendigkeit erkennt, seine Urheberschaft durch ein einfaches, unverwechselbares Markenzeichen schützen zu müssen.

Schnell verdient er mit „gemeinem gmäll“, also einfacher Gebrauchsmalerei und -grafik, mehr Geld als mit dem fleißigen Malen aufmändiger Portraits und Altarbilder. Dennoch arbeitet er mit Leidenschaft und in intensivster Auseinandersetzung an seinem Ziel, die Gotik hinter sich zu lassen. Dabei überschreitet er Grenzen, kompositorische wie technische. Um feinere Texturen zu erreichen, malt er mit Fingern und Handballen oder setzt den Griff seines Pinsels ein. Er spritzt Lösungsmittel auf Portraits, um Verletzungen der Haut sichtbar zu machen.

Bald ist Dürer für die italienischen Maler seiner Zeit ein Vorbild, der Meister der Linie. Von seinem internationalen Renommee zeugt allein die Tatsache, dass seine Techniken vielfach kopiert werden. Doch auch das Wesentliche seiner Kunst, die Kreativitätät, die „freie hant“, die sich über malerische Konventionen hinwegsetzt, wird verstanden und verinnerlicht.

In Nürnberg hat man schnell begriffen, dass der wissbegierige Emporköminlg, der seine individualistische Arbeitsweise gegen die Werkstattkollektive der Gotik setzt, nicht nur eine außergewöhnliche Begabung hat, sondern auch ein cleverer Start-Up-Unternehmer ist, dessen Handeln von ökonomischen und ideologischen Motiven bestimmt wird. Das reiche Nürnberger Publikum schreit nach kleinformatigen, bezahlbaren Bildern und Dürer liefert. Seine Frau Agnes, in ihrem Selbstverständnis eine emanzipierte Frau und die ideale Ergänzung seiner Lebensvorstellungen, steht auf dem Wochenmarkt zwischen Obst- und Gemsehändlern und verkauft die Druckprodukte aus seiner Werkstatt.

So fügt sich zu seinem Talent, seiner wachen Beobachtungsgabe, seiner Klugheit, seinem absoluten Anspruch an Professionalität und seinem Mut, Grenzen zu überschreiten und Neues zu erproben auch die Gabe, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Sichtbarer Beweis seines beruflichen und gesellschaftlichen Erfolgs ist das „Selbstbildnis im Pelzrock“, in dem er seinen Anspruch auf Gleichrangigkeit gegenüber der italienischen Konkurrenz manifestiert.

Dürer malt die Großen seiner Zeit. Er verkörpert die Figur des Malerfürsten in idealer Weise. Dabei ist er sich seiner familiären und gesellschaftlichen Verantwortung zeitlebens bewusst. Seine Mutter Barbara verbringt ihre letzten Lebensjahre in seinem Haus. Kurz vor ihrem Tod zeichnet er sie in einer der eindringlichsten Bildnisstudien der Kunstgeschichte. Seit 1509 bestimmt Dürer als gewähltes Mitglied im Großen Rat der Stadt die Geschicke Nürnbergs mit.
Als er 1528 stirbt, hinterlässt er neben seinem reichen Schaffen auch ein beträchtliches Vermögen und einige Lehrbücher, in denen er seine ästhetischen und technischen Erkenntnisse und Erfahrungen der Nachwelt hinterlässt. So erweist er sich auch als Wissenschaftler, als lebenslang Lernender.

Rückblickend wird deutlich, wie passend der Wunsch des Kollegiums aus dem Jahr 1970 gewesen ist: Das Albrecht-Dürer-Berufskolleg wird von jungen Menschen besucht, die ihr kreatives, intellektuelles und bisweilen trickreiches Potenzial auswuschöpfen lernen. Wir, die Schulleitung und das Kollegium, können unseren Schülerinnen und Schülern dabei helfen, sich das Multitalent Dürer zum Vorbild zu nehmen. Wenn uns das gelingt, haben wir unserem Selbstverständnis von Schule entsprochen.